Unterwegs

Schiffsgeschichten Teil 2

Schiffsgeschichten Teil 2

Reise, Reise…

Heute geht es um das alltägliche Leben an Bord, ein paar Regeln und etwas über Landgänge.
Dass es an Bord 24/7 etwas zum Essen gibt ist ja keine Neuheit. Jeder, der als Gast eine Seereise tut, sollte damit rechnen, dass er/sie  2-3 kg zunehmen wird. Der gesteigerte Appetit kommt vielleicht auch von frischer Seeluft, ich gehe aber davon aus, dass die Buffets, die Speisekarten und das üppige Angebot von Speisen dermaßen gefüllt sind mit allerlei Leckereien, die es der Hausfrau/mann nicht leicht machen sie nachzukochen, sprich dort gibt es ein Speisenangebot von gut bürgerlich bis elitär. Von jeder Speise an einem Abendbuffet nur zu probieren ist ein schweres Unterfangen, welches nur mit Mühe zu schaffen ist. Von der Schweinehaxe bis zum geeisten Kaviar mit klassischen Condiments (gehacktes Eigelb, gehacktes Eiweiß, Weißbrot, Creme fraiche und einem dreifach gebrannten Wodka…Zur Not geht auch Champagner) ist meistens alles vorhanden. Auch die klassische Pizza zwischen Frühstück und Mittagessen fehlt natürlich nicht. Oder zum Mitternachtsimbiss einen kleinen Burger?
Unter Deck ist meistens die Küche. Teilweise so groß wie ein Parkdeck, aufgeteilt in klassische Bereiche: Patisserie, Bäckerei (Dessert, Kuchen, Torten) kalte Küche (Vorspeisen und Salate, Dressings), Beilagenküche (Reis, Kartoffeln, Gemüse, etc), Poissonniere (Fischküche für Fisch und Meeresfrüchte aller Art), Fleischküche (Fleisch aller Art mit korrespondierenden Saucen) und nicht zu vergessen die Küche der Casserolieres (Spülküche) für alles was schmutzig ist und gereinigt werden muss.
In der Küche reden nur Köche, Stewards/dessen haben hier einfach die Klappe zu halten. Ansagen kommen nur von den Postenchefs der jeweiligen Bereiche oder der große Küchenboss oder sein Hilfssheriff. Da das Restaurant sich in der Regel über der Wasserlinie befindet ist es über Rolltreppen zu erreichen. Die Stewards schleppen also das Essen mit großen Tabletts, mit einer Hand tragend über der Schulter auf der Rolltreppe hinauf, die andere Hand sollte sich am Schiff festhalten. Motto: Eine Hand dem Gast, eine Hand dem Schiff. Hält man sich nicht an diese Regel kann es passieren, dass bei Seegang einem das große Tablett ins schwanken gerät und es runterfällt. Dies hat zur Folge, dass der Kollege hinter Dir seines auch fallen lässt. Und so weiter. Dominoday sozusagen. Unten steht dann der cholerische Küchenchef und dann…..viel Glück.

Nun, reden wir doch mal über Arbeitszeiten für einen europäischen Mitarbeiter an Bord. Dies kann sich im Laufe der Zeit geändert haben, damals verhielt es sich so: Im Heuervertrag waren zu einer bestimmten Heuerzahlung 160 Arbeitsstunden vereinbart plus 100 Überstunden, welche in der Grundheuer inkludiert waren. Alle weiteren Überstunden, die geleistet wurden sind mit 5 US Dollar zusätzlich bezahlt worden. Also 260 Stunden im Monat plus Überstunden. Jetzt möchte man meinen, dass das sehr viel ist. Geht man aber davon aus, dass man ohnehin keinen freien Tag hat, sondern 7 Tage die Woche und mindestens 6 Monate durcharbeitet, bei durchschnittlichen Arbeitszeiten von 8 bis 12 Stunden am Tag, bekommt man die Stunden sehr schnell zusammen. Die asiatischen Kollegen waren sogar 9 Monate und länger an Bord, bei weitaus geringerer Heuer. Die europäischen Mitarbeiter hatten zusätzlich noch Anspruch auf Urlaub, welcher an die aktive Zeit an Bord angehängt wurde. Damals gab es keine Sozialabgaben oder Steuerzahlungen an das deutsche Finanzamt. Die Personalfirma firmierte in auf Zypern, die Company hatte ihren Sitz in der Schweiz und wir fuhren unter Bahamasflagge und die Verträge kamen aus Irland. Da blickt selbst der Steuerfachmann selber nur noch schwer durch. Das wird sich heute nur unzureichend geändert haben. Zusätzlich zur normalen Arbeitszeit gab es Sicherheitsaufgaben auf dem Schiff. Neben den Generalalarmen für alle gab es Schulungen (Drill´s) und auch reale Jobs, die man erledigen musste. Bunkerwache zum Beispiel. Das bedeutet, wenn Schweröl gebunkert wurde, durfte auf der Bunkerseite nicht geraucht werden. Dann stand auf jedem Deck eine Person, die darauf achtete, dass sich nicht doch jemand ´ne Kippe ins Gesicht steckte. Verpasste man diesen Job und hat nicht nachgesehen ob man selber dran war und versuchte das Schiff zu verlassen um an Land zu gehen, bekam man -außer dass man nicht an Land gehen durfte – auch gleich einen Termin beim Staffkapitän und Sicherheitsoffizier, eine spoken warning (Mündliche Verwarnung mit Vortrag) und 20 US Dollar Penalty (Strafe) zugunsten der Gesellschaft zur Rettung Seebrüchiger.

Neben der ganzen Arbeiterei hatten wir die Möglichkeit in der Crewbar abzuhängen. Theke und Personal waren bestellt, so konnte sich der ein oder andere noch einen Dollar dazuverdienen. Spottbillig waren Alkohol und Zigaretten, da erstens steuerfrei und zweiten die Company uns das Zeug zum Einkaufspreis zur Verfügung stellte. Wir konnten soviel Zeug kaufen wie wir wollten. Einziges Manko war, dass wir das Zeug nicht von Bord bringen konnten. Die Einfuhrbestimmungen der Länder gaben diese nicht frei. In der Crewbar wurde nicht über Arbeit gesprochen, es wurde gelacht, gesungen, getanzt und getrunken. Jeder wurde geduzt, außer vielleicht der Kapitän, wenn der mal da war. Rang und Schulterstreifen waren egal. Offiziere waren auch da, aber ohne Uniform. Das war verpönt. Die Crewbar hatte jeden Abend geöffnet, doch Vorsicht. Zu lange in der Bar bedeutete gleichzeitig weniger Schlaf. Man musste schon abwägen zwischen schlafen oder feiern.

Fortsetzung folgt…

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Schiffsgeschichten Teil 1

Schiffsgeschichten Teil 1

Reise, Reise…

Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön… Ein bekanntes Volkslied. Ihr kennt doch alle die Serie Traumschiff, oder? Mit Sascha Hehn, Klaus-Jürgen, Siegfried Rauch und so weiter. Ihr kennt auch die Serie „Lust auf Meer“? Ich muss immer ein wenig lächeln und aufpassen, wie weich gespült doch die Zuschauer werden. Beim Traumschiff kann ich das noch verstehen, da ist dann tatsächlich eine Story und ein Drehbuch im Hintergrund. Von Dreharbeiten beim Traumschiff später mehr. Aber die „Reportage“ „Lust auf Meer als Reality-TV zu verkaufen ist schon eine Wucht. OK, An-und Ablegemanöver sieht man mindestens dreimal pro Folge. Der Kapitän wird hochgelobt für seine tolle Arbeit an der Außennock. Der Küchenpraktikant hat kein Freigang bekommen? Ach herrje, der arme Mann. Bisschen was für´s Herzchen. Die Kabinen-Stewardess kann Tiere aus Handtüchern gestalten? Ein echter Hit. Ich will die Leistung derer, die auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten, in keinster Weise abwerten, ganz im Gegenteil.
Ich bin selber 15 Jahre zur See gefahren und ich habe das Leben dort kennengelernt. Auf kleinen exklusiven Kreuzern, bis 140 Gästen, und auf großen Pötten ab 2400 Gästen… aufwärts. Wer glaubt, dass das Leben an Bord auch nur ansatzweise etwas mit Seefahrerromantik zu tun hat, irrt. Mal abgesehen davon, dass es natürlich die unsichtbaren Geister gibt, die unermüdlich Messingknöpfe polieren, Kotze wegwischen, sämtliche Spiegel putzen, Glas streifenfrei säubern und sich um die anfallenden Müllberge und Essensreste kümmern, sich um mit Tampons verstopfte Toilettenrohre kümmern, das Deck schrubben, die Außenfarbe des Schiffes erneuern, Berge von Handtüchern, Bettwäsche, Waschlappen, Uniformen und Tischwäsche reinigen und so vieles mehr, sieht man als Gast nur fröhliche Mitarbeiter, Offiziere und Künstler, welche stets um das Wohl der Gäste bemüht sind. Dazu die ständige Berieselung durch die Lautsprecher mit Musik von James Last und Captain Cook und seine singenden Saxophone. Beim Ein- und Auslaufen des Schiffes in einen Hafen hat fast jeder Dampfer seine eigene „Erkennungsmelodie, von „Biscaya“ bis „Sail away“.

Ich will Euch in dieser Reihe: Reise, Reise… Schiffsgeschichten erzählen, wie es wirklich ist. Ich werde keinen Seemannsgarn erzählen, die Sache nicht romantisieren und Euch erzählen, dass es durchaus auch sehr schöne Seiten im Bordleben gibt.

Nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte und mit dem Flieger über Miami nach  Cancun, Mexiko gereist bin, mit etwa 30 anderen Crewmitgliedern, stellten wir mit Erstaunen fest, dass wir nicht wie üblich von einem Shipsagent erwartet wurden, welcher uns zum Schiff transportieren sollte. Der Agent wusste, dass das Schiff nämlich noch gar nicht in Cancun war, sondern in New Orleans, USA lag und hatte mit unserer Ankunft nicht gerechnet. Die durften aufgrund von Sturm und Hurrikanwarnung den Hafen bis auf Weiteres nicht verlassen. Die Firma wurde informiert und unser Captain, der auch in unserer Gruppe war regelte alles Weitere. Wir wurden vor die Wahl gestellt. Entweder wir reisten wieder nach Hause und hätten zwei Wochen dort verbracht oder wir blieben in Cancun bei Vollverpflegung, komplette Heuer, plus Taschengeld, sämtliche Ausflüge und eine Entschädigung dafür, dass unsere wertvolle Zeit in Anspruch genommen wurde. Ihr könnt Euch vorstellen was wir ausnahmslos alle gewählt haben. Wir blieben fast zwei Wochen im Hotel mit allen Annehmlichkeiten die es bot. Es war eine tolle Zeit. Dann hieß es „aufsteigen“. Gepäck wurde durchleuchtet und durchsucht. Drogen und Waffen aller Art sind strengstens verboten. Gestern wie heute. Dann zum Purser (Personalbüro auf dem Schiff. Purser ist die Berufsbezeichnung für dortige Mitarbeiter.) Reisepass abgeben, Vertrag zeigen und eine Crewnumber zugewiesen bekommen. Jedes Crewmitglied hat so eine, es ist nicht nur eine Personalnummer, sondern gleichzeitig eine Sicherheitszuweisungsnummer, welche ebenfalls auf der Musterrolle verzeichnet ist. Auf der Musterrolle stehen alle Nummern die mit ganz bestimmten Sicherheitsaufgaben im Falle eines Alarmes verknüpft sind. Davon aber später noch.
Dann bekam ich den Schlüssel zur Kabine. Deck 4, Wasserlinie. Soll heißen, wenn wir Wasser und Himmel im Wechsel durch das Bullauge sahen, dann war es ein wenig stürmisch draußen. Hat man keinen Streifen als Offizier auf der Schulter, wurde man zu zweit in einer Kabine untergebracht. Klamotten auf die Koje geschmissen und ab zur Sicherheitseinweisung. Bordsprache war und ist in der Regel  Englisch. Dann Enviromenteinweisung. Der Umwelt zuliebe. Dann Generalalarmübung für alle, Gäste und Crew. 7 mal kurz, 1 mal lang. Mit Rettungsweste und Mütze. Dann Vorstellung im Restaurant. Als Neuer stellt man sich vor und wartet bis Dich einer anspricht. Danach Tische eindecken. Für ein 5 Sterne Schiff ist das nicht so einfach, wie sich das einer vorstellen kann. Exakt und akkurat. Wenn dem Maitre das nicht gefiel, oder aus Menschenhass, zog dieser mit einem Ruck an der Tischdecke und man konnte von vorn anfangen. Was. nicht. schön. war. Aber ich lernte schnell und die Monate vergingen im Flug. 6 Monate plus Verlängerung, je nachdem. Verlängerung bedeutete maximal 1 Monat, dann konnte man nach Hause fliegen.
Übrigens, es gibt ja Menschen, denen der Seegang schwer zu schaffen macht. Ich gehörte und gehöre nicht dazu. Lebt man aber 6 bis 7 Monate auf dem Wasser, arbeitet und schläft mit dem Schaukeln des Schiffes passiert Folgendes: Setzt man die Füße wieder für längere Zeit auf festen Boden wird man…. landkrank. Man geht wie auf Eiern, breitbeinig wie auf dem Schiff. Und ich kotzte mir die Seele aus dem Leib. Es dauert eine Weile bis man sich daran gewöhnt hat.

Fortsetzung folgt….

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